Beschreibung der Arten

Typosyllis hyalina (Grube, 1863)

Abb. 86: Typosyllis hyalina (Grube, 1863)

Abb. 86

Locus typicus. — Losinj (=Insel Lussin), Kroatien.

Typusmaterial. — MPW 396 (ST).

Beschreibung. — Syntypus von mittlerer Größe, kräftig, langgestreckt; Segmentgrenzen deutlich. Länge: 10,5 mm, 93 Borstensegmente; Breite: 500 µm ohne, 600 µm mit Parapodien. Breiten-/Längenverhältnis der Segmente anterior 3-4, in Körpermitte 4-5, posterior 2. Körperoberfläche glatt. Keine besondere Pigmentierung. Farbe in Ethanol gelbbraun.

Prostomium subpentagonal bis breitoval, fast zweimal so breit wie lang, anterolateral ein wenig konkav, vorderer Rand gerade bis leicht gebogen. Palpen kräftig, ovalförmig, etwa so lang wie das Prostomium, dorsal über die gesamte Länge voneinander getrennt. Vier Augen, in einem nach vorn geöffneten Bogen in der hinteren Hälfte des Prostomiums; alle Augen rundlich bis ovalförmig, vordere Augen eineinhalb bis zweimal so groß wie die hinteren Augen, vordere von den hinteren Augen 3-4 der hinteren Augendurchmesser entfernt. Zwei kleine Stirnaugen, ein Viertel der prostomialen Länge hinter dem vorderen Prostomialrand. Mediane Antenne 13-gliedrig, zwischen den vorderen Augen, weit über die Palpenenden hinausreichend; laterale Antennen 9-11-gliedrig, anterolateral, nahe der konkaven Einbuchtung. Antennen kräftig, Gliederung deutlich; Glieder rundlich bis breitoval.

Peristomium kürzer als die darauffolgenden Segmente, vom Prostomium durch eine querverlaufende Grube abgegrenzt, dorsal mit dem ersten Borstensegment völlig verwachsen. Peristomialcirren dorsal 15-17-gliedrig, weit über die Palpenenden hinausreichend, ventral kürzer, mit 9-10 Gliedern.

Borstensegmente deutlich voneinander getrennt. Parapodien kurz. Dorsalcirren wie folgt gegliedert: 1. DC 16-17-gliedrig (24-26-gliedrig in einem Nicht-Typus, Abb. 86E), 2. und 3. DC 10-11-gliedrig, 4. DC 12-gliedrig, anterior mit 11-12, in Körpermitte mit 10-11 bzw. 8 (Abb. 86F), posterior mit 9-10 bzw. 7-8 Gliedern, nur wenig in der Länge alternierend. Dorsalcirren kräftig, ein wenig verjüngt; Glieder proximal breitrechteckig, zwei- bis dreimal so breit wie lang, distal subquadratisch, Ecken stets gerundet. Ventralcirrus klein, daumenförmig, basal inserierend, bis an das Ende des Parapodiallappens reichend.

Zusammengesetzte Borsten falciger, bidentat; anterior 11-13, in Körpermitte ca. 10, posterior ca. 8 pro Borstenbündel. Endglieder schlank, schälmesserförmig bis sichelförmig, anterior 25-50 µm (ELV 2; Abb. 86A-C), in Körpermitte 20-25 µm (ELV < 1,2; Abb. 86G-H), posterior 25-30 µm (ELV < 1,2; Abb. 86J-K), nach hinten hin an Kräftigkeit zunehmend. Sekundärer Zahn anterior so groß wie der primäre Zahn, beide Zähne gerundet, ab Körpermitte viel kleiner, teilweise undeutlich; tertiäre Zähnchen fein und spitz (in einigen hinteren Segmenten abgebrochen; Abb. 86J). Schäfte anterior schlank, ab Körpermitte kräftiger, subdistal jeweils mit kurzen Stacheln. — Einfache Dorsalborste und einfache Ventralborste nicht vorhanden. — Aciculae: anterior 2-3 (einfach bis schräg abgestutzt; Abb. 86D), in Körpermitte 2 (1 einfach, zugespitzt, 1 schräg abgestutzt; Abb. 86J), posterior 2 (schwertförmig bis schräg abgestutzt; Abb. 86L); nach hinten hin an Kräftigkeit zunehmend, jeweils ähnlich kräftig innerhalb desselben Parapodiums.

Pygidium breitoval, paarige Analcirren 10-13-gliedrig. Ein unpaarer medianer Analcirrus.

Pharynxtubus relativ lang, über 8 Segmente, in Ethanol rostbraun. Zahn dreieckig, fast doppelt so lang wie breit, etwas hinter der Pharynxöffnung. Proventrikel walzenförmig, etwa so lang wie der Pharnyx, über 7-8 Segmente, zwischen dem 8. und 15./16. BS, 26-30 Muskelzellringe (cranial 4, caudal 22-25), in Ethanol dunkelbraun.

Reproduktion. — Die Art bildet pentacere Stolonen (PRENANT 1935).

Verbreitung. — Kosmopolitisch.

Derivatio nominis. — Die Art erhielt ihren Namen aufgrund des Vorkommens in hyalinen Gewässern.

Diskussion.Typosyllis hyalina GRUBE, 1863 ist eine der am häufigsten aufgeführten Typosyllis-Arten. Neben Beschreibungen aus mediterranen Regionen wird sie auch aus der Nordsee (HARTMANN-SCHRÖDER 1971, 1996), dem Atlantik (LANGERHANS 1879), dem Pazifik (BERKELEY & BERKELEY 1948; IMAJIMA 1966c; WESTHEIDE 1974), dem Indik (TREADWELL 1928; AMOUREUX 1974b) und der Antarktis (GRAVIER 1911; HARTMAN 1964) zitiert.

In den 70-er Jahren wurde die Validität von T. hyalina in Frage gestellt (AMOUREUX 1976a, 1976b; AMOUREUX & GANTÈS 1976; AMOUREUX, RULLIER & FISHELSON 1978). Die Autoren stellten morphologische Übergänge in der Gestalt und Gliederzahl der Dorsalcirren sowie der Länge des pharyngealen Tubus und des Proventrikels an Typosyllis hyalina GRUBE (1863a), T. variegata (GRUBE, 1860) und T. prolifera (KROHN, 1852) fest, die aus der Straße von Gibraltar stammten. Diese Feststellung veranlaßte die Autoren von einer "Typosyllis hyalina-variegata-prolifera-Gruppe" zu sprechen.

Morphologische Ähnlichkeiten dieser drei Arten sind bereits seit Anfang dieses Jahrhunderts bekannt (ELWES 1908; EHLERS 1913; SOUTHERN 1914; FAUVEL 1918, 1936b; GRAVIER & DANTAN 1928a). Eine mögliche Synonymie von T. hyalina und T. variegata mit T. prolifera wurde von FAUVEL (1923a, 1935, 1938), DAY (1951), BELLAN (1962), RULLIER (1963a), WESTHEIDE (1974) und KIRKEGAARD (1983a) diskutiert. M'INTOSH (1908) faßte erstmalig T. variegata als Synonym von T. prolifera auf. ALLEN (1915) hingegen verstand T. hyalina und T. prolifera als Synonyme von T. variegata. In einer jüngeren Arbeit von AMOUREUX (1983b) werden entgegen früherer Auffassungen des Autors T. variegata und T. hyalina als Synonyme von T. prolifera interpretiert.

Nachuntersuchungen des Typusmaterials von T. prolifera, T. variegata und T. hyalina ergaben, dass diese drei Nomina drei voneinander verschiedene Arten bezeichnen, wenngleich morphologische Übereinstimmungen des Materials nicht von der Hand zu weisen sind. Die drei Arten unterscheiden sich aber in folgenden Merkmalen: Die Antennen, Peristomial- und Dorsalcirren sind bei T. hyalina kürzer, kräftiger, weniger zahlreich gegliedert und eher zapfenförmig als bei T. prolifera und T. variegata. Die mediane Antenne inseriert bei T. hyalina zwischen den vorderen Augen, bei T. prolifera etwas davor, bei T. variegata zwischen den hinteren Augen. Die Borstenendglieder sind bei T. hyalina ab Körpermitte subbidentat und das Längenverhältnis dieses Endglieder ist geringer als 1,2; bei T. prolifera und T. variegata sind das Endgliedlängenverhältnis ab Körpermitte und der sekundäre Zahn in diesen Endgliedern größer als bei T. hyalina. Pharynxtubus und Proventrikel sind bei T. hyalina und T. variegata von etwa gleicher Länge; bei T. prolifera ist der Proventrikel kürzer als der Tubus. Die vorderen Segmente zeigen nur bei T. variegata dorsal eine charakteristische Pigmentierung (Tab. 17).

T. tristanensis (DAY, 1954) gleicht Typosyllis hyalina in der Zahl und Gestalt der zusammengesetzten Borsten, der Aciculae und vor allem in der Gestalt der Dorsalcirren. Auch der Habitus gleicht in beiden Arten einander sehr. Nachuntersuchungen der Cotypen von T. tristanensis zeigten, dass sich der Proventrikel dieser Tiere aus etwa 29 Muskelzellringen zusammensetzt (cranial 24-25, caudal 4-5) (nicht 20, DAY 1954), womit T. tristanensis auch diesbezüglich mit Typosyllis hyalina übereinstimmt. Ich interpretiere daher T. tristanensisals jüngeres Synonym von Typosyllis hyalina. Gleiches gilt für T. taltalensis HARTMANN-SCHRÖDER, 1962 und T. aciculata orientalis IMAJIMA, 1966, die aus den gleichen Gründen als jüngere Synonyme von Typosyllis hyalina verstanden werden müssen. T. aciculata orientalis ist zwar in der Farbe etwas cremiger; dieses erachte ich aber für nicht so wesentlich, da Farbabweichungen auch zwischen Individuen anderer Arten festgestellt wurden, die von verschiedenen Lokalitäten stammen.

Siehe auch T. armillaris (O.F. MÜLLER, 1776).

Tab. 17: Merkmale von Typosyllis prolifera (KROHN, 1852), T. variegata (GRUBE, 1860) und T. hyalina (GRUBE, 1863).

 

T. prolifera

T. variegata

T. hyalina

Länge,
Zahl der Borstensegmente

10,5 mm,
60 BS

12,5 mm,
95 BS

10,5 mm,
93 BS

Pigmentierung

vordere Segmente dorsal mit Brillenmuster

Gliederzahl der Antennen

median 32-34,
lateral 20+

median 22,
lateral 12-13

median 13,
lateral 9-11

Inserierung
der medianen Antenne

etwas vor den
vorderen Augen

zwischen den
hinteren Augen

zwischen den
vorderen Augen

Gliederzahl der Peristomialcirren

dorsal ca. 32
ventral 15-17

dorsal 19-21
ventral 11-12

dorsal 15-17
ventral 9-10

Gliederzahl der Dorsalcirren in Körpermitte

28-36 bzw. 18-20

17-22 bzw. 12-13

10-11 bzw. 8

Zahl falcigerer Borsten
(anterior, mittig, posterior)

11 / 12 / 10

6-7 / 8 / 8

11-13 / 10 / 8

Gestalt der Endglieder
der falcigeren Borsten

bidentat,
primärer und sekundärer Zahn gleich groß

bidentat,
primärer und sekundärer Zahn gleich groß

bidentat bis subbidentat,
sekundärer Zahn viel kleiner

Endgliedlängenverhältnis falcigerer Borsten
(anterior, Mitte, posterior)


1,5 / 2 / 1,5


2 / 2 / 2


2 / <1,2 / <1,2

Zahl der Aciculae
(anterior, Mitte, posterior)

3 / 3 / 1

4 / 2 / 1

2-3 / 2 / 2

Länge des Pharynxtubus

9 Segmente

8 Segmente

8 Segmente

Länge des Proventrikels,
Zahl der Muskelzellringe

5 Segmente,
24 Ringe

8 Segmente,
30-34 Ringe

7-8 Segmente,
26-30 Ringe