Beschreibung der Arten

Typosyllis cornuta (Rathke, 1843)

Abb. 27: Typosyllis cornuta (Rathke, 1843)

Abb. 27 + 28

Locus typicus. — Kristiansund, Norwegen.

Typusmaterial. — NTNU (NT) (ohne Katalogisierungsnummer).

Beschreibung. — Körper kräftig, mit relativ langen Antennen und Cirren. Länge des größten Tieres: 30 mm, 99 Borstensegmente; 700 µm ohne, 900 µm mit Parapodien. Breiten-/Längenverhältnis der Segmente anterior und posterior 3-4, in Körpermitte etwas geringer. Körperoberfläche glatt. Keine besondere Pigmentierung. Farbe in Ethanol bräunlich.

Prostomium klein, queroval bis subpentagonal, ein wenig breiter als lang, vorderer und hinterer Rand stark konvex (Abb. 27A). Palpen lang, eineinhalb mal so lang wie das Prostomium, über die gesamte Länge voneinander getrennt. Vier rotbräunliche Augen trapezförmig angeordnet in der hinteren Hälfte des Prostomiums; vordere Augen oval, doppelt so groß wie die hinteren Augen; diese rundlich. Stirnaugen nicht feststellbar. Mediane Antenne 28-32-gliedrig, in der Mitte des Augentrapezes; laterale Antennen 18-23-gliedrig, hinter dem vorderen Prostomialrand. Antennen nicht verjüngt; Glieder quadratisch mit abgerundeten Ecken, proximal zweimal so breit wie lang, Ecken deutlich gerundet.

Peristomium kaum kürzer als die folgenden vorderen Segmente, durch eine querverlaufende Grube vom Prostomium getrennt, dorsal mit dem ersten Borstensegment verwachsen. Peristomialcirren dorsal 20-22-gliedrig, ventral mit 13-14 Gliedern.

Parapodien kegelförmig (Abb. 27B). Dorsalcirren schlank, zahlreich gegliedert: 1. DC ca. 29-30-gliedrig, 2. DC 17-20-gliedrig, 3. DC 18-24-gliedrig, 4. DC 27-34-gliedrig, 5. DC 19-22-gliedrig, 6. DC 31-33-gliedrig, in Körpermitte mit 24-28 bzw. 16-20, posterior mit 19-20 bzw. 13-14 Gliedern, sehr deutlich in der Länge alternierend. Dorsalcirren ähnlich gestaltet wie die Antennen. Ventralcirren schlank, fingerförmig, in nahezu allen Segmenten etwa bis an das Ende des Parapodiallappens reichend.

 
Abb. 28: Typosyllis cornuta (Rathke, 1843)

Zusammengesetzte Borsten pseudospiniger oder falciger, jeweils bidentat; anterior 12-16, in Körpermitte 6-9, posterior 5-6 pro Borstenbündel. Endglieder der pseudospinigeren Borsten anterior ca. 80 µm (ELV 3; Abb. 28A), ab Körpermitte 90-100 µm (ELV 3-3,3; Abb. 28E, I); primärer und sekundärer Zahn meist gerundet, von etwa gleicher Größe, teilweise sehr dicht beieinanderstehend; tertiäre Zähnchen proximal kräftig, distad kleiner, kürzer und spitzer. Endglieder der falcigeren Borsten anterior 25-35 µm (Abb. 28B-C), in Körpermitte 30-50 µm (Abb. 28F-G), posterior 25-50 µm (Abb. 28J-K); sekundärer Zahn so groß wie der primäre Zahn, stets deutlich, gerundet; tertiäre Zähnchen proximal gröber als in den pseudospinigeren Borsten (Abb. 28F), distad feiner und spitzer. Schäfte subdistal mit zum Teil langen, spitzen Stacheln. — Einfache Dorsalborste gerade, schlank, distal gerundet, subdistal mit winzigen Sägezähnchen (Abb. 28L). Einfache Ventralborste unwesentlich schlanker, sigmoid, bidentat, subdistal glatt (Abb. 28M). — Aciculae: anterior 4 (3 +/- einfach, 1 abgestutzt, etwas dicker; Abb. 28D), in Körpermitte 2 (beide einfach, 1 jedoch deutlich länger und mindestens 2-4 mal so dick wie die andere; Abb. 28H), posterior 2 (wie in Körpermitte, distal ein wenig spitzer; Abb. 28N).

Pygidium halbrund, paarige Analcirren, 13-20-gliedrig; Glieder in Cirrusmitte und subdistal teilweise doppelt so lang wie breit. Ein unpaarer länglicher Analcirrus dorsoterminal.

Pharynxtubus lang, über 9 Segmente, bis in das 9. BS hineinreichend. Zahn relativ klein, ovalförmig, ein bis zwei Zahnlängen hinter der Pharynxöffnung.

Verbreitung. — Europäisches Nordmeer, Nordsee, NW-Atlantik, Beringmeer, NO-Pazifik, Mittelmeer (?), Rotes Meer (?), Südafrika (?), Indik (?), Gelbes Meer (?), Japan (?), Australien (?).

Diskussion.Typosyllis cornuta ähnelt T. rosea (LANGERHANS, 1879) comb. nov., T. anops (EHLERS, 1897) comb. nov., T. heterochaeta (MOORE, 1909) comb. nov., T. magna (WESTHEIDE, 1974) comb. nov., stat. nov., T. beneliahuae (CAMPOY & ALQUÉZAR, 1982) comb. nov., emend. und T. maryae (SAN MARTÍN, 1992) comb. nov. in der Gliederung der Dorsalcirren sowie der Gestalt der Endglieder der zusammengesetzten Borsten. Bei T. rosea sind jedoch die pseudospinigeren Borsten anterior viel kürzer;T. anops fehlen prostomiale Augen; T. heterochaeta besitzt anterior 20-25 Borsten pro Bündel und die Endglieder der falcigeren Borsten sind unidentat; T. beneliahuae und T. magna haben nadelförmige Aciculae;T. maryae besitzt 2-3 Paar große postproventrikuläre Drüsen und ist kleiner als die vorliegende Art.

"Syllis cornuta" wurde von vielen Autoren als Sammelbegriff für schwer oder "nicht bestimmbare" Arten aus dem Syllis-Komplex benutzt, deren Parapodien pseudospinigere Borsten besitzen. Der Grund hierfür ist möglicherweise, dassT. cornuta die erste beschriebene Art dieses Komplexes ist, für die der Besitz pseudospinigerer Borsten angegeben wurde. So wurden bis 1881 alle Arten aus diesem Komplex mit derartigen Borsten als Syllis cornuta indiziert, welches auch auf die knappe und wenig detaillierte Erstbeschreibung der vorliegenden Art zurückzuführen sein mag. Da eine Überarbeitung von Typosyllis cornuta bislang auf sich warten ließ, ist es nicht verwunderlich, dass mehr als 100 Jahre nach der ersten Beschreibung dieser Art immer noch Material als "cornuta" bestimmt, beschrieben und hinterlegt wurde, bei dem es sich in Wirklichkeit um Individuen einer anderen Art handelt. Zwangsläufig führte dieses zu unterschiedlichen Auffassungen über den Phänotyp von Typosyllis cornuta.

Typusmaterial dieser Art konnte nicht ermittelt werden; es ist davon auszugehen, dass es verloren ist. Das dieser Beschreibung zugrunde liegende Material stammt von Borgenfjorden, Trondheimsfjorden, einem etwa 20 km entfernten Ort des von RATHKE (1843) angegebenen locus typicus. Morphologie und Anatomie dieses Materials stimmen mit Rathkes Beschreibung und Zeichnungen überein. Eines dieser Exemplare wird daher als Neotypus vonSyllis cornuta RATHKE, 1843 designiert [NTNU]. Die an das Vitenskapsmuseet, Trondheim gerichteten Schreiben, in denen um eine Erteilung einer Katalogisierungsnummer gebeten wurde, blieben leider trotz mehrfacher Nachfragen unbeantwortet.

Nachuntersuchungen des Holotypus von Syllis harti BERKELEY & BERKELEY, 1938 ergaben, dass dieses aus British Columbia beschriebene Material keine Unterschiede zu der norwegischen Typosyllis cornuta zeigt. Der Habitus, die Dorsalcirren und die zusammengesetzten Borsten, aber auch die Gestalt der Aciculae aller Körperregionen stimmen so sehr mit denen des europäischen Materials überein, dass sich die Auffassung,Syllis harti einer eigenen Art zuzuordnen, kaum aufrecht erhalten lässt. Auffälligstes Merkmal sind die zwei ungleich großen Aciculae in den Parapodien der mittleren Körperregion, von denen die größere Acicula mit der Spitze aus der Cuticula heraustritt, während in den vorderen Segmenten sich vier gleich große Aciculae im Parapodium vollständig eingebettet befinden. Geringe Unterschiede bestehen in der Farbe der fixierten Tiere (ockergelb in dem europäischen Material, bräunlich in dem nordamerikanischen Material). Dieses ist möglicherweise auf unterschiedliches Sediment zurückzuführen, in dem die Tiere lebten.