Morphologie
Bauplan der Syllidae
Der Körper der Syllidae ist im Querschnitt subzylindrisch. Das Prostomium besitzt paarige, über die gesamte Länge voneinander getrennte oder miteinander verwachsene Palpen, meist paarige laterale und eine unpaare mediane Antenne und meist vier Augen. Zusätzlich können winzige Stirnaugen vorhanden sein.
Das auf das Prostomium folgende Peristomium ist immer borstenlos und besitzt ein oder zwei Paar Peristomialcirren.
Die Borstensegmente tragen unirame Parapodien, die nur aus Dorsalcirren bestehen; notopodiale Borsten fehlen. Die Neuropodien bestehen aus einem gut entwickelten Neuropodiallappen und einem kleineren prae- und postsetalen Lappen, einem kurzen ungegliederten Ventralcirrus, einer oder mehreren Aciculae und zahlreichen zusammengesetzten und / oder einfachen Borsten.
Die Arten der Syllinae, Eusyllinae und Autolytinae besitzen meist zahlreiche Segmente und können relativ groß werden; ihre Antennen, Peristomial-, Dorsal- und Analcirren sind in der Regel lang, gegliedert (Syllinae, Autolytinae) oder ungegliedert (Eusyllinae, Autolytinae). Die Exogoninae leben meist im Interstitial und sind selten größer als 2 mm; ihre Körperanhänge sind eingliedrig und sehr kurz. Die Palpen der Syllinae und Autolytinae sind über die gesamte Länge voneinander getrennt, die der Eusyllinae sind proximal über einen Teil der Länge und die der Exogoninae meist völlig, zumindest über 80% der Länge, miteinander verwachsen.
Das Pygidium besitzt paarige Analcirren und häufig einen unpaaren kurzen medianen Analanhang.
Der Vorderdarm der Syllidae erstreckt sich über mehrere Segmente und besteht aus dem Pharynxtubus, dem Proventrikel und dem Oesophagus.
Der Pharynxtubus ist ein schlauchförmiger Abschnitt, der nahezu vollständig von einer weichhäutigen Pharynxscheide umgeben ist. Die Pharynxscheide mündet anterior in der von außen sichtbaren Mundöffnung und ist innerhalb des hinteren Drittels des Tubus mit diesem verwachsen. Der Pharynxtubus kann zur Nahrungsaufnahme ausgestülpt werden, wobei die Pharynxscheide fingerhandschuhartig mitgleitet. Eine pharyngeale Bewaffnung kann in Form eines einzelnen Zahns (anterior, posterior oder in der Mitte des Tubus) auftreten.
Der Proventrikel ist ein muskulöser Abschnitt von tonnenförmiger Gestalt, der als Saugmagen arbeitet. Die Muskelfasern sind auf der Proventrikeloberfläche im Querschnitt in Form kleiner rundlicher Flecken erkennbar, die in Ringen angeordnet sind.
Der Oesophagus ist sehr kurz, selten länger als zwei Segmente und setzt sich aus Ventrikel und Postventrikel zusammen. Der Ventrikel ist ein kurzer, dickwandiger Abschnitt, in dessen Epithel sich Drüsenzellen befinden. Der Postventrikel ist kaum länger; er besitzt lateral meist paarige Blindsäcke. Der Oesophagus leitet direkt in den eigentlichen Darmkanal über.
Morphologie von Typosyllis
Das Prostomium ist in den Typosyllis-Arten rundlich oder breitoval. Die Palpen sind sehr voluminös; sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Länge und Gestalt. Sie können bohnen-, kegelförmig oder globulär sein, nach vorn gerichtet oder unter das Prostomium geklappt sein. Die Palpen sind häufig sehr ähnlich und ohne besondere Details. Sehr lange oder kurze Palpen sind jedoch weniger häufig und können auf Artebene von taxonomischem Interesse sein.
Das Peristomium besitzt zwei Paar Cirren - paarige dorsale und ventrale Peristomialcirren. Paarige Nuchalorgane dorsal im vorderen Drittel sind meist von Cilienbüscheln umgeben und in der Regel nur elektronenmikroskopisch feststellbar.
Die Antennen, Peristomial- und Dorsalcirren sind von unterschiedlicher Gestalt: über die gesamte Länge von etwa gleichbleibender Breite (z.B. Typosyllis tyrrhena LICHER & KUPER, 1998), distad kegelförmig verjüngt (z.B. T. adamanteus (TREADWELL, 1914)), keulenförmig, subdistal am breitesten (z.B. T. krohni (EHLERS, 1864)) und deutlich oder weniger deutlich gegliedert. In einigen Arten sind die Glieder über die gesamte Länge gleichmäßig rund, perlschnurartig (z.B. T. caeca (KATZMANN, 1973), in anderen sehr kurz und breit, wodurch die Anhänge sehr kräftig wirken (z.B. T. kerguelensis AVERINCEV, 1972). In anderen Arten sind die Glieder langoval und die Anhänge dadurch schlanker (z.B. T. nipponica IMAJIMA, 1966). Die Dorsalcirren sind anterior und in den mittleren Segmenten meist zahlreicher gegliedert als posterior. Häufig stellt man entlang des Körpers eine Kontinuität von alternierenden langen und kurzen Dorsalcirren mit entsprechend unterschiedlicher Gliederzahl fest, wobei das Längenverhältnis der langen und kurzen Cirren zueinander sehr unterschiedlich sein kann.
Postproventrikulär ist die Gestalt der Dorsalcirren sowie die Zahl ihrer Glieder meist relativ stabil; die der vordersten und hinteren Segmente variieren jedoch zum Teil erheblich. Auch nimmt die Zahl der Cirrenglieder im Laufe der Ontogenese zu und unterliegt daher dem Alter der Tiere. Besonders in Arten mit zahlreicher Cirrengliederung können die Cirren jüngerer Tiere deutlich weniger Glieder besitzen als vergleichsweise ältere Individuen. Darüberhinaus variiert die Gliederzahl auch regional ein wenig. Die Gliederung von fixierten Tieren wird im Laufe der Zeit undeutlicher und ihre Glieder rechteckiger. Die Gestalt von Antennen und Dorsalcirren sowie die Zahl ihrer Glieder sind taxonomisch gute Merkmale unter Berücksichtigung des zuvor Genannten.
Die Parapodien aller Sylliden sind uniram. Notopodiale Borsten kommen ausschließlich bei epigamen Formen vor. Dieses sind zahlreiche einfache, lange Kapillarborsten, die der Fortbewegung im Pelagial dienen (► Reproduktion). Unabhängig von der Jahreszeit und Geschlechtsreife der Tiere existieren innerhalb des "Syllis-Komplexes" folgende neuropodialen Borsten:
Zusammengesetzte Borsten bestehen aus einem Borstenschaft und einem Borstenendglied. Die Endglieder können sehr lang sein, nadelförmig ("spiniger"; A) oder mit einem subdistalen Zahn ("pseudospiniger"; B); oder kürzer ("falciger"; D-J). Die Enden der Endglieder können schlicht verjüngend sein ("unidentat"; E, J) oder mit einem sekundären Zahn vor dem Ende ("bidentat"; B-D, F-G), manchmal nur rudimentär vorhanden ("subbidentat"; I). Die Schneide kann glatt (F) sein oder gezähnt (D, E, G-I). Diese tertiären Zähnchen können lang und kräftig (H) oder kürzer und feiner (E, I) sein; innerhalb eines Endglieds von einheitlicher Länge (B, C), distad in ihrer Länge abnehmen (A, D) oder subdistal viel länger als proximal (G). Die Gestalt der Borstenendglieder ändert sich in der Regel von anterior nach posterior und innerhalb des Parapodiums von dorsal nach ventral. -- Die Borstenschäfte nehmen häufig von anterior nach posterior an Kräftigkeit zu und können schlank (I) oder kantig ("beilförmig"; J) sein. Manchmal ist auch ein Größendimorphismus von Borsten innerhalb eines Bündels feststellbar, so dass sich "normale" (C-F, H-J) von "verdickten" Borsten (G) unterscheiden lassen.
An einfachen Borsten kommen maximal zwei pro Borstenbündel vor, eine einfache Dorsalborste (K) und eine einfache Ventralborste (L). Distal sind die einfachen Borsten zugespitzt, gekerbt, gerundet, abgestutzt, unidentat oder bidentat. Subdistal können kurze, lange, feine oder grobe Sägezähnchen vorhanden sein.
Aciculae kommen in Mehrzahl oder einzeln pro Parapodium vor, wobei häufig ihre Zahl nach hinten hin ab- und ihre Größe zunimmt. Aciculae können nadelförmig (X) oder viel kräftiger sein, von dem Parapodiallappen völlig umgeben oder aus diesem herausragen. Auch distal zeigen sie eine große Variationsbreite: einfach (M), schräg abgestutzt (N), zugespitzt (O), schwertförmig (P), streichholzförmig (Q), löffelförmig (R), stempelförmig (S), umgebogen (T), fußförmig (U-V) oder flammenförmig (W).
Borsten sind die formenreichsten Strukturen innerhalb des Taxon Typosyllis. Die Gestalt der Endglieder in den zusammengesetzten Borsten ist eines der besten taxonomischen Merkmale, um sowohl Taxa auf Artebene voneinander abzugrenzen als auch Artenkomplexe zu erfassen. Neben der Detailgestalt ist das Endgliedlängenverhältnis (ELV = Quotient aus den Längen der Endglieder dorsaler und ventraler Borsten innerhalb eines Parapodium) eine nützliche Hilfe, das anterior, in Körpermitte und posterior häufig eine andere Größe hat. Oft sind die Borsten vorderer Segmente schlanker und haben längere Endglieder als in postproventrikulären Segmenten. Manchmal wird die "Natur" einer Borste erst in der mittleren Körperregion deutlich.
Ein wichtiges taxonomisches Merkmal ist die Gestalt der Aciculae, da sie innerhalb der Art sehr stabil ist und offenbar nur einer geringen Variabilität unterliegt. Zwar können Aciculae anterior, in Körpermitte und posterior in der Zahl und Kräftigkeit variieren, die Gestalt der Aciculae innerhalb derselben Körperregion ist jedoch bei Individuen einer Art nahezu gleich. Selbst bei Exemplaren, die aus verschiedenen geographischen Regionen gesammelt wurden, sind nur geringe Unterschiede feststellbar. Vor allem die Gestalt der Aciculae der postproventrikulären Segmente ist charakteristisch und muß zur Artbestimmung herangezogen werden.
Das Pygidium ist relativ strukturarm. Es besitzt paarige gegliederte Analcirren und häufig einen unpaaren ungegliederten medianen Anhang. Die Länge und Gliederung der Analcirren steht in Beziehung zur Gestalt der Peristomial- und Dorsalcirren. Häufig sind die Analcirren abgebrochen und können für einen taxonomischen Vergleich nicht herangezogen werden.
Pigmentierung tritt häufig in einigen vorderen Segmenten auf, meist in Form dunkler Linien oder komplexer Muster auf der Dorsalseite (z.B. "Brillenmuster" bei Typosyllis variegata GRUBE, 1860), auf der ventralen Seite (z.B. T. mauretanica sp. nov.), auch ganzflächig, so dass sich die entsprechenden Segmente durch ihre meist dunkelbraune Farbe deutlich von den übrigen Segmenten abheben, oder aber in Form kleinerer unregelmäßiger Pigmentflecke lateral nahe der Dorsalcirrophoren bzw. in den Cirrengliedern selbst (z.B. T. pigmentata (CHAMBERLIN, 1919)).
Der Pharynxtubus kann sehr unterschiedlich lang und gefärbt sein, sehr dunkel, "rostbraun" (z.B. T. macrodentata HARTMANN-SCHRÖDER, 1982), hell rosafarben (z.B. T. vivipara (KROHN, 1869)) oder transparent (z.B. T. barbata (SAN MARTÍN, 1992)). Der pharyngeale Zahn befindet sich meist nahe der Pharynxöffnung, selten ein Drittel der Tubuslänge von der Pharynxöffnung entfernt. Auch seine Gestalt variiert: sehr schlank (z.B. T. ehlersioides MARENZELLER, 1890), eiförmig (z.B. T. heterocirrata HARTMANN-SCHRÖDER, 1960 emend.), mitraförmig (z.B. T. corallicola (VERRILL, 1900)), zapfenförmig (z.B. T. monilata IMAJIMA, 1966) oder spindelförmig (z.B. T. mexicana (RIOJA, 1960)).
Der Proventrikel ist von unterschiedlicher Länge und Gestalt. Die Muskelfaserquerschnitte erscheinen in der cranialen Region unregelmäßig und ungeordnet, nicht immer deutlich durch die Epidermis zu erkennen; in der caudalen Region sind sie gegeneinander leicht versetzt angeordnet und meist gut erkennbar. Die Zahl proventrikulärer Muskelzellringe ist in den Typosyllis-Arten sehr unterschiedlich und reicht von ca. 19 bis 60.