Einleitung

Die Familie Syllidae

Ausgewählte Autoren und ihre Beiträge zur Syllidenliteratur

Die Familie Syllidae GRUBE, 1840 ist eines der ältesten Taxa innerhalb der Polychaeten. Die traditionelle Unterscheidung der vier Unterfamilien Syllinae, Eusyllinae, Exogoninae und Autolytinae geht bereits auf LANGERHANS (1879) zurück und stützt sich auf zum Teil phylogenetisch wenig überzeugende Merkmale. Trotz vielfacher Diskussionen lässt ein überzeugendes phylogenetisches System noch immer auf sich warten.

Der "Syllis-Komplex" aus der Unterfamilie Syllinae, der die vier Taxa Syllis, Typosyllis, Langerhansia und Haplosyllis umfasst, ist mit über 400 beschriebenen Arten die größte Gruppe innerhalb der Syllidae. Die Systematik dieser vier Gattungen bzw. Untergattungen ist jedoch ebenso wenig überzeugend wie die der Unterfamilien. Neben der ungewöhnlich großen Artenzahl ist der "Syllis-Komplex" von unvollständigen Beschreibungen, nicht auffindbares Typusmaterial, nicht zuzuordnenden Individuen und zahlreichen Fehlbestimmungen geprägt. Vor allem in nicht-taxonomischen Arbeiten muss die von den Autoren angegebene Materialbestimmung nicht selten in Frage gestellt werden. Darüberhinaus haben die teilweise sehr knapp gehaltenen Beschreibungen mittlerweile zu unterschiedlichen Vorstellungen über die Morphologie einzelner Arten geführt. Zum Beispiel gibt es für Langerhansia cornuta (RATHKE, 1843) zahlreiche voneinander abweichende Beschreibungen, so dass leicht zu erkennen ist, dass sich hinter dieser Bezeichnung ein Komplex verschiedener Arten verbirgt.

Derartige Widersprüche resultieren im wesentlichen aus der Tatsache, dass die Unterschiede, die von den Autoren herangezogen werden, um Arten voneinander abzugrenzen, erheblich variieren: Zum einen werden sich deutlich unterscheidende Individuen einer Art zugeordnet, zum anderen basieren neue Artbeschreibungen auf zum Teil nur geringen morphologischen Unterschieden zu anderen Arten. Demgegenüber steht eine hohe Variabilität der Arten, die eine korrekte Beschreibung des Phänotyps nur selten erlaubt.

Ziel der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist eine Revision des Polychaetentaxon Typosyllis LANGERHANS, 1879, bei der alle distinkten Arten dieses Taxon überarbeitet und unter Aufführung ihrer Synonyme detailliert beschrieben werden sollen. Der Wissenschaft nicht bekannte Arten sollen beschrieben, invalide Bezeichnungen sollen aus der Nomenklatur eliminiert werden. Dieses erfordert eine Nachuntersuchung aller gegenwärtig verfügbaren Arten des "Syllis-Komplexes", weil

(a) bis 1879 alle Typosyllis-Arten zu Syllis gestellt wurden,

(b) verschiedene taxonomische Auffassungen der Autoren zu verschiedenen generischen Zuordnungen der Arten geführt haben, und

(c) auch in der Gegenwart Beschreibungen von fehlerhaften Bestimmungen belastet sind.

Dazu war eine umfassende Aufarbeitung der Literatur erforderlich.

Um unrichtige Beschreibungen aufgrund falsch zugeordneten Polychaetenmaterials ausschließen zu können, soll so weit wie möglich an fixiertem Typusmaterial gearbeitet werden. In der Regel kann den Beschreibungen der letzten 60 Jahre der Aufbewahrungsort des Typusmaterials entnommen werden. Typusmaterial älterer Beschreibungen muss ermittelt werden. Wird Typusmaterial als verloren erachtet, so soll eine Neubeschreibung anhand von adäquatem Nicht-Typusmaterial erstellt werden, welches von einem Fundort möglichst nahe des locus typicus stammt. Dabei muss die Übereinstimmung mit dem Originalmaterial garantiert sein. Dieses erfordert eine gewisse Grundinformation in der Erstbeschreibung, um eine gesicherte Materialzuordnung zu gewährleisten. Wird Typusmaterial als verloren erachtet und erlauben sowohl die Erstbeschreibung als auch spätere Beschreibungen keine einwandfreie Materialzuordnung, so muss entschieden werden, ob der dieser Art gegebene Name weiterhin als "valide" gemäß dem International Code of Zoological Nomenclature (ICZN) (1985) geführt werden darf.

Exemplare, die sich bei den Untersuchungen als Typen herausstellen, aber nicht als solche gekennzeichnet sind, sollen gemäß dem ICZN (1985) als Lectotypen bzw. Paralectotypen festgelegt, katalogisiert und mit entsprechenden Verweisen an den Kurator zurückgeschickt werden. Adäquates Nicht-Typusmaterial von Arten, deren Typusmaterial verloren ist, soll unter Berücksichtigung des ICZN (1985) als Neotypenmaterial festgelegt und in einer zoologischen Sammlung katalogisiert hinterlegt werden.